Author M.A. Cultural Studies (2015)
Dieses Dokument fasst die vollständige theoretische und praktische Grundlage des Afridada-Projekts zusammen. Es dient als:
Afridada ist ein experimentelles Forschungsprojekt zur postkolonialen Klangforschung. Es arbeitet mit linguistischem Material aus verschiedenen Diaspora-Kontexten (Zulu-Klicklaute, Tsotsitaal, AAVE) innerhalb einer DADA-informierten experimentellen Methodik.
In Zeiten intensiver Debatten über kulturelle Aneignung ("Cultural Appropriation") ist es entscheidend, die eigene Positionality transparent zu machen. Dieses Dokument tut genau das — nicht defensiv, sondern offensiv-ethisch.
Jedes Kapitel behandelt eine zentrale Argumentationskette:
Unser Ansatz basiert auf drei Säulen:
DADA (1916-1924) war eine avantgardistische Kunstbewegung, die traditionelle Kunst-Konventionen ablehnte. Zentrale Prinzipien:
"Der Künstler stiehlt. Aber er versteckt es nicht. Er macht den Diebstahl sichtbar." — Tristan Tzara, DADA Manifesto (1918)
Afridada nutzt DADA-Methodologie nicht als "Ausrede" für Appropriation, sondern als kritische Praxis:
| Traditionelle Appropriation | DADA-Methodologie |
|---|---|
| Versteckt Herkunft des Materials | Macht Herkunft explizit |
| Behauptet Authentizität | Verweigert Authentizitätsanspruch |
| Profitiert ohne Sichtbarmachung | Macht Machtverhältnisse sichtbar |
| Gatekeeper-Logik ("Das gehört mir jetzt") | Anti-Proprietät ("Das gehört allen") |
In jedem Afridada-Video wird transparent gemacht:
Die ethische Bewegung ist nicht "falsche Reinheit" (so tun, als könnte man außerhalb von Machtverhältnissen stehen). Die ethische Bewegung ist Transparenz über Macht.
Gayatri Spivak nennt das "Strategic Essentialism": Man kann nicht außerhalb des Systems stehen, aber man kann das System sichtbar machen.
Afridada basiert auf folgenden postkolonialen Theorien:
Spivak argumentiert: Westliche Intellektuelle können nicht für marginalisierte Communities sprechen, ohne deren Stimmen zu überschreiben. Unser Ansatz:
Mbembe zeigt: Postkoloniale Gesellschaften sind durch Necropolitics (Macht über Tod) und strukturelle Gewalt geprägt. Unser Ansatz:
Glissant entwickelt Kreolisierung als Modell für kulturellen Austausch ohne Hierarchie. Unser Ansatz:
Neben postkolonialer Theorie basiert Afridada auf Hip-Hop Sampling:
| Konzept | Hip-Hop Praxis | Afridada Anwendung |
|---|---|---|
| Sampling | Nutzen fremden Materials als Basis | Linguistisches Material als Sonic Elements |
| Remix | Neukombination bestehender Elemente | DADA-Methodologie als Remix-Praxis |
| Flipping | Material transformieren, nicht kopieren | Keine Folklorismus, sondern experimentell |
| Shout-Out | Herkunft benennen | Transparenz über Materialquellen |
"It's all about the remix. Culture is a feast, not a fence." — Rakim (1987)
Wichtig: Wir kritisieren nicht die Warnung vor echter Ausbeutung. Wir kritisieren die Weaponisierung des Konzepts für regressive Politik.
Wenn Kritik an Aneignung dazu benutzt wird, Künstler*innen auf ihre "ethnische Scholle" festzulegen, reproduziert das genau die kolonialen Logiken, die es bekämpfen möchte:
Das ist nicht antikolonial. Das ist neokolonial mit progressivem Narrativ.
Kernthese: Es gibt keine "unschuldigen Hände" im globalen Kapitalismus.
Jeder Künstler mit europäischen Wurzeln trägt strukturelle Schuld in sich – nicht weil er "böse" ist, sondern weil das System (Kolonialismus, Kapitalismus, westliche Institution) ihn konstituiert.
Dieses Argument blockiert die moralische Überlegenheitsposition der Kritiker:
| Kritik | Unsere Antwort |
|---|---|
| "Du exploitierst!" | "Ja, wir alle tun das im Kapitalismus. Die Frage ist Transparenz, nicht Reinheit." |
| "Das ist kulturelle Aneignung!" | "Jeder mit europäischen Wurzeln trägt Kolonialisierung in sich. Mein Ansatz: Sichtbarkeit statt Verleugnung." |
| "Du bist privilegiert!" | "Ja. Und du kritisierst mich auf YouTube – auch Teil des Systems. Lass uns beide transparent sein." |
Von: "Bist du schuldig?" → zu: "Wie gehst du mit Schuld um?"
Von: "Bist du rein?" → zu: "Bist du ehrlich?"
Von: moral purity → zu: structural honesty
Achille Mbembe argumentiert: Im Kapitalismus sind alle impliziert in strukturelle Gewalt. Es gibt kein Außen-Stehen.
"Die ethische Bewegung ist NICHT, das System zu verlassen (unmöglich). Die ethische Bewegung ist, transparent zu arbeiten INNERHALB der Verstrickung." — Mbembe (2001)
Die Alternative zu "ich bin schuldig" ist nicht "ich bin unschuldig".
Die Alternative ist: "Ich bin verstrickt, und ich mache das sichtbar."
Deswegen: Nicht trotz Kapitalismus. Sondern: Durch eine kritische Praxis INNERHALB von Kapitalismus.
"Was für eine armselige Welt wäre das, wenn ich nur noch über weiße deutsche Männer schreiben könnte/dürfte?"
Wenn Identitätspolitik zur kulturellen Apartheid führt:
| Maxime | Konsequenz | Resultat |
|---|---|---|
| "Weiße dürfen nur über Weiße schreiben" | Literatur wird ethnisch segregiert | Kulturelle Apartheid |
| "Deutsche nur über Deutschland" | Nationalstaats-Logik | Blut-und-Boden-Politik |
| "Cis-Männer nur über cis-Männer" | Gender-Essenzialismus | Trans*/Queer-Auslöschung |
Das ist genau die Logik, die Nazis propagierten: "Reine Kultur, reine Nation, reine Kunst."
Mein Ansatz ist universalistisch:
Wichtig: Universalismus bedeutet NICHT "alles ist gleich erlaubt ohne Kritik".
| Folklorismus | Universalismus (Afridada) |
|---|---|
| "Echte Zulu-Kultur zeigen" | Transnational experimentelle Sonic-Praxis |
| Authentizitätsanspruch | Ablehnung von Authentizität (DADA) |
| "Ich repräsentiere Soweto" | "Ich schreibe über fiktionale Figuren in Soweto" |
| Profitorientiert | DIY, transparent über Strukturen |
Glissant argumentiert für Kreolisierung als Modell kulturellen Austauschs:
"Die Welt ist ein gemeinsamer Raum. Kulturen sind nicht wie Bäume mit Wurzeln. Sie sind wie Rhizome – Netzwerke ohne Zentrum." — Glissant (1997)
Unser Ansatz: Remix Culture as Feast, Not Fence.
Kritik: "Du betreibst Blackfacing, wenn du über schwarze Figuren schreibst."
Antwort: Blackfacing und Authorship sind fundamental unterschiedlich.
Blackfacing war:
Mein Projekt ist:
| Blackfacing | Authorship |
|---|---|
| "Ich spiele einen Schwarzen" | "Ich schreibe über schwarze Figuren" |
| Physische Maskerade | Literarische Konstruktion |
| Behauptet Authentizität | Behauptet fiktionale Konstruktion |
| Versteckt europäische Position | Macht europäische Position explizit |
Frida (Soweto) und Thandi (Bronx) sind schwarz. Sie sind schwarz geboren, und sie bleiben schwarz. Die muss keiner "anmalen". Das ist kein Blackfacing. Das ist Authorship.
Wenn das verboten wäre:
Das wäre das Ende von Literatur.
Die Absurdität:
Museumsinsel Berlin hält 100.000+ ECHTE geraubte Kulturgüter aus ehemaligen Kolonien. Wert: Milliarden. Institutionell geschützt. Niemand fordert deren Rückgabe.
Ich (Afridada) benutze linguistisches Material in experimentellem Kontext. Wert: 0 Euro. DIY-Projekt ohne institutionelle Macht. Linke greifen MICH an.
"Warum attackiert die Linke einen linken Wissenschaftler mit 0 Budget, aber lässt die Museumsinsel in Ruhe?"
Weil struktureller Raub schwerer anzugreifen ist als einzelne Künstler.
Linke Identitätspolitik attackiert:
Linke Identitätspolitik attackiert NICHT:
Warum? Weil Strukturen schwerer zu ändern sind als einzelne Künstler zu canceln.
Deutsch:
"Ich verstehe die Kritik an kultureller Aneignung. Aber ich sehe eine Absurdität: Linke greifen einen linken Wissenschaftler mit 0 Budget an, der transparente experimentelle Forschung macht – während die Museumsinsel Berlin 100.000+ ECHTE geraubte Kulturgüter hält, und niemand fordert deren Rückgabe.
Das ist nicht Kritik an strukturellem Raub. Das ist Punching Down.
Wenn die Linke strukturellen Kolonialismus bekämpfen will: Fangt bei Institutionen an, nicht bei DIY-Künstlern. Ich bin nicht euer Feind. Die Museumsinsel ist drei Kilometer von hier."
Unsere Response (Offensive-Ethisch):
"Ich beanspruche NICHT, südafrikanische Kultur zu repräsentieren. Ich praktiziere experimentelle Remix-Methodologie grounded in DADA, Hip-Hop-Sampling und postkolonialer Theorie. Das ist ein ENGAGED DIALOGUE über Diaspora, nicht Extraction. Das Werk ist transparent über meine Positionality: Europäer, akademisch, privilegiert in Infrastruktur. Ich weigere mich, proprietary Logic über Kultur zu akzeptieren. Alle Kultur ist Remix. Die ethische Bewegung ist Sichtbarkeit über Macht, nicht falsche Reinheit."
Unsere Response:
"Ich differenziere zwischen Extraction (kapitalistische Ausbeutung) und Remix (transnational-solidarisches Engagement). Extraction = Konzerne machen Gewinn aus Global South Material OHNE Sichtbarmachung. Remix = ich sage explizit: 'Das ist nicht authentisch, das ist DADA.' Wenn jemand sagt, ich darf kein Zulu benutzen, weil ich Europäer bin – das ist genau die ethnische Essenzialismus-Logik, die Kolonialismus reproduziert. Das kritisiere ich."
Unsere Response:
"Kunstwerke müssen nicht 'autorisiert' sein. Sie müssen theoretisch fundiert sein und transparent über ihre Positionality. Mein Werk IST das. Wenn die Maßstab ist 'Künstler müssen nur aus ihrer Ethnie Material nehmen', haben wir kulturelle Apartheid institutionalisiert. Ich lehne das ab."
Unsere Response:
"Ich behaupte NICHT, schwarz zu sein (keine Maskerade). Ich behaupte NICHT, eine Frau zu sein (keine false identity). Ich schreibe über schwarze weibliche Figuren (Authorship, nicht Performance). Blackfacing = 'Ich spiele einen Schwarzen' (physische Maskerade, Stereotype). Mein Ansatz = 'Ich schreibe über schwarze Figuren' (literarische Konstruktion). Wenn das verboten wäre, dürften keine männlichen Autoren über Frauen schreiben. Das wäre das Ende von Literatur."
Unsere Response:
"Das ist strukturell — es geht um Plattform-Zugang + Finanzierungs-Ungleichheit. Ich mache das solo, weil ich die Infrastruktur habe (Zeit, Hosting, Bildungszugang), die Zulu-Künstler in Südafrika statistisch nicht haben. Anstatt so zu tun, als gäbe es keine Machtdynamiken bei Kollaboration, bin ich transparent: Das ist ein weißer europäischer Forscher, der mit Global South Material arbeitet aus einer Position der Privilegien. Die ethische Bewegung ist Transparenz + Methodologie, nicht falsche 'Diversität.'"
© 2025 Afridada Research Project | afridada.com
Dokumentation erstellt: 26. Oktober 2025